Die unerwartete Leichtigkeit des Seins

Graduiertenausstellung in der Kunstakademie zeigt einen breiten Querschnitt.

Da hängt eine Waschmachine an der Wand, die Programmknöpfe sind mit roter Farbe bekleckert. Wie Blutstropfen kleben sie an dem weissen Plastik. Daneben ein großer Kühlschrank – mit Gefrierfach. Ein Staubsauger, knalliges Orange, Marke Fakir 250, wohl aus den Siebzigern, ein Plattenspieler, auch nicht gerade modern, ein kleiner Fernseher mit gelbem Gehäuse, ein alter Computer, ein Toaster, ein Topf mit Deckel und ein Herd. Der Künstler Dimitrios Chalatsis hat sie einfach nebeneinander gehängt, die Gebrauchsgegenstände – da, wo sie normalerweise nichts zu suchen haben und ihres Zwecks beraubt sind. Nichts wirklich neues, denkt sich der Betrachter, eben eine Entfremdung von alltäglichen Dingen, schon xßmal da gewesen in der Kunst. Doch dann bemerkt er den malerischen Charakter der Reihung, geht er einen Schritt zurück und erfasst die gesamte Arbeit mit einem Blick. Die Gegenstände werden plötzlich leicht, verlieren ihre Wuchtigkeit, wellen sich an der Wand entlang, lebendig, und werden zu einem Gemälde.

Chalatsis ist einer der vier Künstler, den die aus den künstlerischen und wissenschaftlichen Lehrern der Kunstakademie zusammengesetzte Jury mit einem Graduiertenstipendium (ca. 10000 Euro) ausgezeichnet hat. Das Stipendium wurde von rund 20 Jahren vom Land eingerichtet, um hoch qualifizierte wissenschaftliche und künstlerische Nachwuchskräfte zu fördern. “40 ehemalige Studenten hatten sich dieses Jahr beworben, so viele wie noch nie”, sagte Erwin Gross, Rector der Kunstakademie, bei seiner Begrüßung. Bewerbungsbedingung ist ein abgeschlossenes Kunststudium, zusätzlich müssen mindestens drei Professoren mit ihrer Unterschrift für die aussergewöhnliche künstlerische Leistung bürgen.

Die augezeichneten Arbeiten sind sehr unterschiedlich und zeigen dadurch einen breiten Querschnitt. Da gibt es die Videoinstallation von Christine de la Garenne, die im Vordergrund eine unscharf aufgenommene Schotterpiste zeigt. Der Himmel im Hintergrund ist strahlend blau. Dann taucht ein grünes Etwas am Horizont auf, das an einen Bus erinnert. Wird mal größer, dann wieder kleiner und verschwindet wieder. Grillen zirpen im Hintergrund. Ein Spiel mit dem assoziativen Sehen, denn nichts ist klar und eindeutig. Wir ahnen nur, kombinieren und ordnen des Gesehene in unsere Erfahrungs- und Erlebniswelt ein. Oder die großformatigen Bilder von Jörg Baier; Landschaften, die aus Streifen zusammengesetzt sind, angedeutet und reduziert. Die weißen Zwischenräume lassen die Landschaften luftig und leicht auf dem Papier schweben , die zurückhaltenden Farben der Pastellkreiden geben den Bildern einen ätherischen Charakter und erinnern doch an die kraftvolle japanische Tuschemalerei. Der Film von Karoline Stock zeigt eine einfache, stilisierte Figur, die sich biegt und wendet, dreht und auf dem Kopf steht, umkippt, sich dann wieder aufrichtet, um wieder umzukippen. Sie kämpft, bis sie in einer farbigen Explosion verschwindet.

Seit zwei Jahren werden zusätzlich vier Auslandsstipendien verliehen, die dieses Jahr an Benita Liebel (Installation mit Licht), Ingrid Klausner (Skulpturen aus Gips und Plastik), Alexander Stahlmann (Installation aus Stoff, Schweinwerfern, Stöcken und Waschpulver) und Alexander Krause (riesige Formate mit Texten) gingen.

AUSGABE N.183, 07/12/2001

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